Wie Content Marketing den Content-Schock überlebt

    Schon seit einer Weile diskutieren Content-Marketing-Experten den Content-Schock. Mark Schaefer zum Beispiel behauptet, dass Content Marketing für viele Unternehmen keine nachhaltige Strategie mehr ist – weil es viel zu viel Content gibt für die begrenzte Aufnahmefähigkeit des Publikums. Eduard Klein hingegen meint, je mehr Content es gebe, desto eher setze sich Qualität durch – denn die sei noch immer rar.

    Das Argument von Mark Schaefer ist, dass die Explosion von Veröffentlichungen im Auftrag von Marken und die Verbreitung des Content-Marketings zu einer unvermeidlichen Entwertung von Content führen. Ja, es gibt immer mehr Content – unfassbar viel davon: zwei Millionen neue Blogposts und fast eine Million Stunden neue YouTube-Videos pro Tag. Wir erleben zurzeit, wie Marken ihre Verwandlung in Publisher abschließen. Doch das bedeutet nicht, dass das Publikum nicht mehr empfänglich für (Marketing-)Content ist.  Sondern es bedeutet, dass die Content-Marketing-Branche intelligentere Wege zur Distribution ihrer Inhalte finden muss.

    Ein Beispiel – Essengehen in Berlin: Die deutsche Hauptstadt hat an die 5000 Restaurants und mehr Dönerläden als Istanbul, und wöchentlich kommen neue Lokale dazu. Doch müssen wir daraus schließen, dass die Berliner und ihre Gäste demnächst keine Lust mehr haben werden Essen zu gehen? Wohl kaum… und die Qual der Wahl wird nicht erleichtert, indem man  die Eröffnung neuer Restaurants verhindert, oder im Fall von Content Marketing: indem man keinen neuen Content mehr erschafft. Sondern indem man bessere Filter zu Verfügung stellt, die den Verbrauchern helfen, schnell und einfach zu finden, was sie wollen. Bei der Restaurantsuche erledigen das Yelp und TripAdvisor für mich. Meine personalisierten Musik-Empfehlungen bekomme ich von Spotify; Watchever empfiehlt mir passende Filme – und das sind nur einige Beispiele für benutzerfreundliche Curation-Plattformen, bei weitem keine vollständige Liste.

    Das Problem ist also nicht die Menge des Contents im Internet. Vielmehr bin ich darauf angewiesen, dass ich überhaupt die Chance habe, auf Inhalte zu stoßen, die mich wirklich ansprechen. Die schönsten Content-Goldstücke nützen weder mir noch der Marke, die dahinter steht, wenn ich sie nicht für mich entdecke. Hier entstehen neue Aufgaben für Marketeers – indem sie Strategien entwickeln, die genau das ermöglichen. Das beginnt mit der Erschaffung (oder dem Kuratieren) von authentischem, werthaltigen und tatsächlich unterhaltsamen Content. Es geht weiter mit genauer Beobachtung der Interaktion der User auf verschiedenen Plattformen: Dabei kommt es  vor allem darauf an, zu erkennen, welche Bedürfnisse die Plattformen jeweils befriedigen – und dann Content einzuspeisen, der zur gewünschten User Experience der Plattform passt beziehungsweise diese noch verbessert.

    Advertorials sind dazu nur selten imstande, und “Black-Hat”-Content macht es den Verbrauchern sehr schwer zu erkennen, ob ein Link sie zu interessantem redaktionellen Content führt – oder zu einem digitalen Infomercial. Diese Verwirrung ist meiner Meinung nach die größte Bedrohung für Content Marketing – nicht die Übersättigung. Google unternimmt Schritte, um die Konfusion zu bekämpfen. Der Suchmaschinen-Gigant wird auch in Zukunft seine Algorithmen entsprechend anpassen, um die Qualität von Content kritisch zu bewerten. Das ist auch richtig so. Der Verbraucher lässt sich ohnehin nicht für dumm verkaufen: Produktwerbung im Content führt augenblicklich zu Vertrauensverlust. Das Ziel der Content-Marketing-Branche muss sein, dass die Konsumenten absolutes Vertrauen in die Substanz der Auswahl haben, die ihnen präsentiert wird. Das ist mit immer intelligenteren Discovery-Tools und anderen Content-Kuratoren durchaus machbar.

    Zu behaupten, der Content-Schock bedeute das Ende des Content-Marketings, ist ebenso abwegig wie zu behaupten, dass Menschen irgendwann aufhören würden Geschichten zu erzählen. Ich stimme Eduard Klein zu, wenn er sagt, dass großartiger Content am Ende das Rennen macht. Das gilt aber nur dann, wenn Geschichtenerzähler – Marken und Medien gleichermaßen – nicht nur Qualität über Quantität stellen, sondern auch die Distribution ihres Contents strategisch angehen.  Sei es über Search (taktisch), Social oder Content-Discovery (strategisch).

    Meine Bewertung der verschiedenen Distributionskanäle finden Sie in meinem Artikel: Der Kampf ums Online-Engagement – Content Discovery versus Suchmaschinen versus soziale Medien.

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    ©flickr.com/Martin Abbeglen (CC BY-SA 2.0)